Justitia

 

Rechtsprechung

 

 

 

Beschlussfassung zur Durchführung einer baulichen Veränderung

WEG §§ 20, 21

1. Die Wohnungseigentümer können nach dem seit dem 1. Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht eine bauliche Veränderung grundsätzlich auch dann beschließen, wenn die Beschlussfassung die Zuweisung einer ausschließlichen Nutzungsbefugnis an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum zur Folge hat; einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer bedarf es hierfür nicht mehr (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 13. Januar 2017 – V ZR 96/16, ZWE 2017, 224 Rn. 30 ff.).

1a. Eine bauliche Veränderung, die einem der in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 WEG aufgeführten Zwecke dient, ist regelmäßig angemessen. Die Angemessenheit ist nur ausnahmsweise aufgrund außergewöhnlicher baulicher Gegebenheiten oder eines außergewöhnlichen Begehrens zu verneinen, wenn die bauliche Veränderung bei der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zu Nachteilen führt, die bei wertender Betrachtung außer Verhältnis zu ihrem Zweck stehen. Nachteile, die typischerweise aufgrund einer privilegierten baulichen Veränderung eintreten, begründen regelmäßig nicht deren Unangemessenheit.

1b. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände der Angemessenheit einer baulichen Veränderung i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 WEG trägt der klagende Wohnungseigentümer; verlangt ein Wohnungseigentümer gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 WEG die Ersetzung eines Grundlagenbeschlusses, muss er zur Begründung des Anspruchs darlegen, dass die bauliche Veränderung einem der gesetzlich privilegierten Zwecke dient. Beruft sich die Gemeinschaft auf die Unangemessenheit der Maßnahme, trifft sie eine sekundäre Darlegungslast für nachteilige Umstände, die sich nicht bereits aus dem Begehren selbst ergeben.

2. Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage ist bei einer Maßnahme, die der Verwirklichung eines Zweckes i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG dient, zumindest typischerweise nicht anzunehmen; der von dem Gesetzgeber im gesamtgesellschaftlichen Interesse erstrebten Privilegierung bestimmter Kategorien von Maßnahmen ist bei der Prüfung, ob eine grundlegende Umgestaltung vorliegt, im Sinne eines Regel-Ausnahme Verhältnisses Rechnung zu tragen.

3. Eine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers setzt voraus, dass die beabsichtigte Maßnahme bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfte (Fortführung von Senat, Urteil vom 15. Mai 2020 – V ZR 64/19, NJW-RR 2020, 1022 Rn. 14).

BGH, Urteil vom 09.02.2024 – V ZR 244/22


Anspruch auf (privilegierte) bauliche Veränderungen

WEG §§ 20, 44

  1. Beschließen die Wohnungseigentümer die Durchführung oder Gestattung einer baulichen Veränderung, die ein Wohnungseigentümer unter Berufung auf § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG verlangt (hier: § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG), ist der Beschluss auf die Klage eines anderen Wohnungseigentümers nur für ungültig zu erklären, wenn die beschlossene Maßnahme entgegen § 20 Abs. 4 Halbs. 1 WEG die Wohnanlage grundlegend umgestaltet bzw. einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt oder der Beschluss an einem anderen (allgemeinen) Beschlussmangel leidet.
  2. Ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 WEG im Einzelnen vorliegen und ob die bauliche Veränderung insbesondere angemessen ist, ist bei einer Anfechtungsklage gegen einen dem Verlangen eines Eigentümers stattgebenden Beschluss ohne Bedeutung. Auf diese Voraussetzungen kommt es nur an, wenn der Individualanspruch des Wohnungseigentümers abgelehnt worden ist und sich dieser mit einer Anfechtungsklage gegen den Negativbeschluss wendet und/oder den Anspruch mit der Beschlussersetzungsklage weiterverfolgt.
  3. Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage ist bei einer Maßnahme, die der Verwirklichung eines Zweckes i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG dient, zumindest typischerweise nicht anzunehmen; der von dem Gesetzgeber im gesamtgesellschaftlichen Interesse erstrebten Privilegierung bestimmter Kategorien von Maßnahmen ist bei der Prüfung, ob eine grundlegende Umgestaltung vorliegt, im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses Rechnung zu tragen.

BGH, Urteil vom 09.02.2024 – V ZR 33/23


Erbbaurechtsvertrag zwischen Gemeinde und Privatem: Ausschluss der Heimfallvergütung

BauGB § 11 Abs. 2 S. 1; ErbbauRG § 32 Abs. 1 S. 2

  1. Vereinbart eine Gemeinde als Grundstückseigentümerin mit einem Privaten in einem Erbbaurechtsvertrag den Ausschluss der Heimfallvergütung, verstößt dies für sich genommen nicht gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung aus § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB.
  2. Der Ausschluss der Heimfallvergütung führt dazu, dass die Geltendmachung des Heimfallanspruchs einer strengen Ausübungskontrolle im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des gemeindlichen Handelns unterliegt. Die Forderung nach der vergütungslosen Rückübertragung des Erbbaurechts kann sich insbesondere dann als unverhältnismäßig darstellen, wenn der Heimfall nicht auf einer schwerwiegenden Vertragsverletzung des Erbbauberechtigten beruht, das Bauwerk ganz oder weitestgehend fertiggestellt ist, der Erbbauberechtigte erhebliche Investitionen getätigt hat und die Gemeinde absehbar in der Lage sein wird, das Bauwerk anderweitig zu nutzen oder zu verwerten.

BGH, Urteil vom 19.01.2024 – V ZR 191/22


Bauträgervertrag: einheitliche Verjährung des Vergütungsanspruchs

BGB §§ 195, 196, 200

Verpflichtet sich der Veräußerer eines Grundstücksanteils in einem Bauträgervertrag zur Errichtung einer Eigentumswohnung, verjährt sein einheitlich für Grundstücksanteil und Eigentumswohnung vereinbarter Vergütungsanspruch gemäß § 196 BGB in zehn Jahren.

BGH, Urteil vom 07.12.2023 – VII ZR 231/22


Inhaltskontrolle von Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen

BGB §§ 134, 138 Abs. 1, 1408, 1414; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 256 Abs. 2

  1. Zur Zulässigkeit eines Zwischenfeststellungsantrags betreffend die Wirksamkeit eines Ehevertrags in der Folgesache Güterrecht.
  2. Zur Inhaltskontrolle von Scheidungsfolgenvereinbarungen.

BGH, Beschluss vom 29.11.2023 – XII ZB 531/22


Schenkung unter Auflage; unbeschränkbare Testierfreiheit

BGB §§ 2302, 2301 Abs. 1

  1. Eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, den geschenkten Gegenstand spätestens mit seinem Ableben unentgeltlich auf einen Dritten zu übertragen, fällt nicht ohne weiteres unter den Tatbestand des § 2302 BGB.
  2. Eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, zugunsten eines Dritten ein Schenkungsversprechen abzugeben, das unter der Bedingung steht, dass der Dritte den Beschenkten überlebt, ist nach § 2302 BGB nichtig.
  3. Wirksam ist eine Auflage, wenn die Parteien des Schenkungsvertrags bereits einen – wenn auch bedingten – Anspruch des Dritten auf Übereignung des geschenkten Gegenstands begründen.

BGH, Versäumnisurteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21


Grundstückskaufvertrag: arglistiges Verschweigen eines Mangels; Abgrenzung zwischen Mangel und Symptom des Mangels

BGB a. F. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2; BGB § 444

  1. Wird ein Hausgrundstück mit überdachter Terrasse verkauft und tritt durch das Terrassendach wiederholt Regenwasser ein, ist dies regelmäßig nicht nur ein bloßes Symptom für einen Sachmangel; vielmehr begründet bereits die Undichtigkeit des Terrassendaches selbst den Sachmangel.
  2. Klärt der Verkäufer eines Hausgrundstückes den Käufer nicht über Wassereintritte durch ein Terrassendach auf, handelt er arglistig, auch wenn er deren Ursache(n) nicht oder nur teilweise kennt.

BGH, Urteil vom 27.10.2023 – V ZR 43/23


Löschung eines Vermerks über die Anordnung der Zwangsversteigerung: kein Anspruch auf Anlegung neuer Grundbuchblätter

GBO § 12 Abs. 1; GBV § 28 S. 1; DS-GVO Art. 17 Abs. 1a

Der von einer rechtmäßig zustande gekommenen Zwangseintragung in dem Grundbuch Betroffene hat nach deren Löschung keinen Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchblattes; ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus einer entsprechenden Anwendung des § 28 GBV oder aus Art. 17 DS-GVO noch unmittelbar aus den Grundrechten.

BGH, Beschluss vom 21.09.2023 – V ZB 17/22


Verwalterzustimmung: Klage auf Zustimmung gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

WEG § 12

  1. a. Sieht die Gemeinschaftsordnung vor, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung des Verwalters bedarf, ist seit dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 1. Dezember 2020 eine Klage auf Zustimmung stets gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten.
    b. Dies gilt auch dann, wenn die Vereinbarung vor diesem Datum getroffen wurde.
  2. Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz hat nichts daran geändert, dass der Streitwert neiner Klage auf Erteilung der Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums in der Regel 20 % des Verkaufspreises des Wohnungseigentums beträgt (Fortentwicklung von Senat, Beschluss vom 18. Januar 2018 – V ZR 71/17, NJW-RR 2018, 775 Rn. 4 ff.).

BGH, Urteil vom 21.07.2023 – V ZR 90/22


Erteilung von Vollmachtsausfertigungen durch den Notar; Verweigerung bei Kenntnis vom Widerruf der Vollmacht; Widerruf der Vollmacht durch den Betreuer

BeurkG §§ 51 Abs. 1 u. 2, 54; BGB §§ 1823, 1902 a. F.

  1. Haben die nach § 51 Abs. 1 BeurkG Berechtigten gegenüber dem Notar eine andere Bestimmung hinsichtlich der Erteilung von Ausfertigungen getroffen, ergeben sich Inhalt und Umfang der Amtspflichten des Notars bei der Prüfung des Rechts eines Dritten auf Erteilung einer Ausfertigung aus dieser Weisung.
  2. Kann der Bevollmächtigte nach der Weisung des Vollmachtgebers eine weitere Ausfertigung der Vollmachtsurkunde verlangen, sofern er glaubhaft versichert, dass die Ausfertigung abhandengekommen und die Vollmacht nicht widerrufen worden ist, darf der Notar die Erteilung einer weiteren Ausfertigung verweigern, wenn er Kenntnis von einem Vollmachtswiderruf erhält. Anders ist es, wenn der Widerruf der Vollmacht ohne jeden vernünftigen Zweifel, also evident unwirksam ist.
  3. Der Widerruf einer General- und Vorsorgevollmacht durch den Betreuer des Vollmachtgebers ist für den Notar in dem Verfahren auf Erteilung einer Ausfertigung der Vollmachtsurkunde auf Verlangen des darin genannten Bevollmächtigten regelmäßig auch dann nicht evident unwirksam, wenn versichert wird, dass der Aufgabenkreis des Betreuers den Widerruf nicht umfasst.

BGH, Beschluss vom 24.05.2023 – V ZB 22/22


Vorrang eines dinglichen Vorkaufsrechts eines Familienangehörigen vor dem Mietervorkaufsrecht

BGB §§ 577 Abs. 1 S. 2, 1094

Das dingliche Vorkaufsrecht genießt jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des  Mieters, wenn es von dem Eigentümer zugunsten eines Familienangehörigen i. S. v. § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB bestellt wurde.

BGH, Beschluss vom 27.04.2023 – V ZB 58/22


Immobilienmaklervertrag: Reservierungsgebühr als unangemessene Benachteiligung

BGB §§ 307, 652

  1. Ein im Nachgang zu einem bereits bestehenden Immobilienmaklervertrag geschlossener Reservierungsvertrag stellt eine der uneingeschränkten AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegende Nebenabrede zum Maklervertrag dar, wenn zwischen den beiden in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen geschlossenen Verträgen eine unmittelbare Verbindung besteht und die Verpflichtung zum exklusiven Vorhalten der Immobilie deshalb als maklerrechtliche Zusatzleistung anzusehen ist (Fortentwicklung von BGH, Urteil vom 23. September 2010 – III ZR 21/10, NJW 2010, 3568 [juris Rn. 10]).
  2. Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr für das zeitlich begrenzte exklusive Vorhalten einer Immobilie zu seinen Gunsten stellt eine unangemessene Benachteiligung des Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, wenn die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus der Reservierungsvereinbarung für den Kunden weder nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist (Bestätigung von BGH, Urteil vom 23. September 2010 – III ZR 21/10, NJW 2010, 3568 [juris Rn. 11 bis 17]).

BGH, Urteil vom 20.04.2023 – I ZR 113/22


Kontrollbetreuung: Kriterien für Ungeeignetheit des Vorsorgebevollmächtigten

BGB §§ 1814 Abs. 3 Nr. 1, 1815 Abs. 3, 1820 Abs. 3 u. 4; FamFG § 34 Abs. 2

  1. Ein Bevollmächtigter ist ungeeignet, die Angelegenheiten des Betroffenen nach dessen Wünschen zu besorgen, wenn zu befürchten ist, dass er die Angelegenheiten des Vollmachtgebers nicht entsprechend der Vereinbarung oder dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers besorgt. Ergeben sich aus der Vereinbarung und dem erklärten Willen des Vollmachtgebers keine konkreten Vorgaben, kann der Betroffene seine Wünsche nicht mehr äußern und bestehen auch keine individuellen Anhaltspunkte für seinen mutmaßlichen Willen, richtet sich dieser nach seinen objektiven Bedürfnissen.
  2. Die Möglichkeit des Betreuungsgerichts, nach § 34 Abs. 2 FamFG von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen abzusehen, wenn dieser offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun, entbindet das Gericht nicht von der in § 278 Abs. 1 Satz 2 FamFG enthaltenen Verpflichtung, sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen zu verschaffen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 4. November 2020 – XII ZB 344/20 – FamRZ 2021, 224).
  3. Sind behebbare Mängel bei der Ausübung einer Vorsorgevollmacht festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grundsätzlich zunächst den Versuch, mittels eines zu bestellenden Kontrollbetreuers auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) sowie die Ausübung bestehender Weisungsrechte (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. Januar 2020 – XII ZB 368/19 – FamRZ 2020, 629).
  4. Besteht die dringende Gefahr, dass ein Bevollmächtigter durch fehlende Bereitschaft zum Konsens mit anderen Bevollmächtigten nicht den Wünschen des Vollmachtgebers entsprechend handelt und dadurch die Person des Vollmachtgebers oder dessen Vermögen erheblich gefährdet, kann das Betreuungsgericht gemäß § 1820 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB anordnen, dass er die ihm erteilte Vollmacht insgesamt oder in bestimmten Angelegenheiten nicht ausüben darf.

BGH, Beschluss vom 29.03.2023 – XII ZB 515/22


Erbschaftsausschlagung: Irrtum über die Person des Nächstberufenen ist kein anfechtungsbegründender Motivirrtum

BGB §§ 119 Abs. 1 Var. 1, 1953

Irrt sich der eine Erbschaft Ausschlagende bei Abgabe seiner Erklärung über die an seiner Stelle in die Erbfolge eintretende Person, ist dies nur ein Irrtum über eine mittelbare Rechtsfolge der Ausschlagungserklärung aufgrund anderer rechtlicher Vorschriften. Ein solcher Motivirrtum berechtigt nicht zur Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB.

BGH, Beschluss vom 22.03.2023 – IV ZB 12/22


Haftung des Geschäftsführers einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH

GmbHG § 43 Abs. 2

  1. Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstreckt sich im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft.
  2. Die Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG erstreckt sich auch dann auf die Kommanditgesellschaft, wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist.

BGH, Urteil vom 14.03.2023 – II ZR 162/21


Auslegung einer Gemeinschaftsordnung; dynamische Verweisung auf gesetzliche Regelung; Gestattungsbeschluss zu einer baulichen Veränderung; Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

WEG §§ 10 Abs. 1 S. 2, § 20 Abs. 1 u. 3

  1. Der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen schlichten Verweisung auf die Gesetzeslage oder der bloßen Wiederholung des Gesetzes lässt sich in Ermangelung anderer Anhaltspunkte nicht entnehmen, dass es auch nach einer Gesetzesänderung bei der Anwendung alten Rechts verbleiben soll. Vielmehr ist dies grundsätzlich als dynamische Verweisung auf die jeweils aktuellen gesetzlichen Regelungen zu verstehen.
  2. Es ist Sache des Wohnungseigentümers, der eine nicht in der Gemeinschaftsordnung gestattete bauliche Veränderung beabsichtigt, einen Gestattungsbeschluss gegebenenfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage herbeizuführen, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird. Handelt er dem zuwider, haben die übrigen Wohnungseigentümer einen Unterlassungsanspruch, der durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeübt wird. Diesem Unterlassungsanspruch kann der bauwillige Wohnungseigentümer nicht unter Berufung auf Treu und Glauben entgegenhalten, dass ihm ein Gestattungsanspruch zusteht.

BGH, Urteil vom 17.03.2023 – V ZR 140/22


Wohnungsrecht; Zulässigkeit der Bestellung am eigenen Grundstück; Pfändung eines
Eigentümerwohnungsrechts

BGB §§ 1092 Abs. 1 S. 2, 1093; ZPO § 857 Abs. 3; InsO §§ 36 Abs. 1 S. 1, 80 Abs. 1

  1. Die Bestellung eines Wohnungsrechts am eigenen Grundstück ist zulässig.
  2. a) Sind Grundstückseigentümer und Wohnungsberechtigter personenidentisch, sei es durch eine anfängliche Bestellung des Wohnungsrechts als Eigentümerrecht, sei es durch eine nachträgliche (Wieder-)Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person (§ 889 BGB), muss sich der Wohnungsberechtigte für die Pfändung so behandeln lassen, als habe er es gestattet, die Ausübung des Wohnungsrechts einem anderen zu überlassen; infolgedessen ist ein Eigentümerwohnungsrecht stets pfändbar (Fortführung von Senat, Urteil vom 11. März 1964 – V ZR 78/62, NJW 1964, 1226, insoweit in BGHZ 41, 209 nicht abgedruckt).
    b) Aufgrund der Pfändbarkeit fällt das Eigentümerwohnungsrecht bei Insolvenz des wohnungsberechtigten Grundstückseigentümers in die Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter ist befugt, im Rahmen der Verwertung die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen.

BGH, Beschluss vom 02.03.2023 – V ZB 64/21


Verjährung von Pflichtteilsansprüchen: keine Kenntnis von der Beeinträchtigung bei
irrtümlicher Annahme der Unwirksamkeit des Testaments

BGB §§ 195, 199, 2303

Die erforderliche Kenntnis von einer beeinträchtigenden Verfügung kann fehlen, wenn der Berechtigte infolge Tatsachen- oder Rechtsirrtums davon ausgeht, die ihm bekannte Verfügung sei unwirksam und entfalte daher für ihn keine beeinträchtigende Wirkung. Das gilt jedenfalls dann, wenn Wirksamkeitsbedenken nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind.

OLG Hamm, Urteil vom 02.03.2023 – 10 U 108/21


Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags; Auflassungsvormerkung; Scheingeschäft

BGB §§ 883 Abs. 1 S. 1, 894; ZPO § 322 Abs. 1

  1. Die rechtskräftige Entscheidung, mit der die Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags festgestellt wird, hat präjudizielle Bedeutung für die Entscheidung über die Berichtigung des Grundbuchs wegen Erlöschens des durch Vormerkung gesicherten Anspruchs aus diesem Vertrag; mit Rechtskraft des Feststellungsurteils steht fest,dass die Auflassungsvormerkung nicht entstanden und das Grundbuch hinsichtlich deren Eintragung unrichtig ist.
  2. Ist in einem Vorprozess eine Klage auf Bewilligung der Löschung einer Auflassungsvormerkung im Wege der Grundbuchberichtigung rechtskräftig abgewiesen worden, ist ein mit dem Klageantrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags verbundener erneuter Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich der Vormerkung nur dann zulässig, wenn die Klageanträge dergestalt in ein Eventualverhältnis gestellt werden, dass der auf Grundbuchberichtigung gerichtete Antrag nur hilfsweise für den Fall gestellt wird, dass der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags Erfolg hat.

BGH, Urteil vom 17.02.2023 – V ZR 22/22


Privates Veräußerungsgeschäft – trennungsbedingter Auszug eines Ehepartners

EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

  1. Eine (willentliche) Veräußerung i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann auch dann vorliegen, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an dem im Miteigentum beider Ehepartner stehenden Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung (entgeltlich) auf seinen geschiedenen Ehepartner innerhalb der Haltefrist überträgt.
  2. Der Ehegatte nutzt seinen Miteigentumsanteil nach dem Auszug aus dem Familienheim nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, wenn der geschiedene Ehepartner und das gemeinsame minderjährige Kind weiterhin dort wohnen.

BFH, Urteil vom 14.02.2023 – IX R 11/21


Grundstücksgrenzübergreifende Tiefgarage; Grunddienstbarkeit; Pflicht zur Kostenübernahme

BGB § 1021

  1. Gehört zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstück, kann zwischen den Eigentümern des dienenden und des herrschenden Grundstücks mit dinglicher Wirkung vereinbart werden, dass die Pflicht zur Unterhaltung der Anlage zwischen ihnen aufgeteilt wird.
  2. Möglich ist auch eine Vereinbarung, die sich auf die – anteilige – Verpflichtung zur Übernahme der zur Unterhaltung der Anlage erforderlichen Kosten beschränkt, ohne eine Pflicht zur tatsächlichen Unterhaltung zu begründen.
  3. Wenn sich eine Anlage auf zwei Grundstücke erstrecken soll und beide Eigentümer zur Nutzung der Anlage (auch) auf dem jeweils anderen Grundstück berechtigt sein sollen (hier: Tiefgarage), können wechselseitige Grunddienstbarkeiten bestellt werden; die Grundstücke sind dann zugleich herrschendes und dienendes Grundstück. Auch in diesem Fall ist es möglich, die Unterhaltungskosten der Anlage unter den beteiligten Eigentümern durch eine dinglich wirkende Vereinbarung nach einer bestimmten Quote zu verteilen.
  4. Auch wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstücks zur (anteiligen) Unterhaltung der Anlage bzw. zur anteiligen Kostentragung verpflichtet ist, genügt für die dingliche Wirksamkeit der Vereinbarung die Eintragung in das Grundbuch des dienenden Grundstücks. Einer zusätzlichen Eintragung auf dem Grundbuchblatt des herrschenden Grundstücks bedarf es nicht.

BGH, Urteil vom 27.01.2023 – V ZR 261/21


Städtebaulicher Vertrag; Wiederkaufsrecht bei Nichtbebauung; Angemessenheit einer Ausübungsfrist von 30 Jahren

BauGB § 11 Abs. 2 S. 1; BGB § 462 S. 1

  1. Bei einem Verkauf von Bauland an einen privaten Käufer im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages zu einem marktgerechten Preis stellt sich die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde für den Fall, dass der Käufer das Grundstück nicht innerhalb von acht Jahren mit einem Wohngebäude bebaut oder ohne Zustimmung der Gemeinde unbebaut weiterveräußert, selbst dann nicht als unangemessen i. S. v. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB dar, wenn eine Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht nicht vereinbart ist und dieses somit innerhalb der in § 462 Satz 1 BGB geregelten Frist von 30 Jahren ausgeübt werden kann.
  2. Rechtshandlungen, die der erste Bürgermeister einer bayerischen Gemeinde bis zum 31. März 2018 vorgenommen hat, waren und bleiben aufgrund seiner umfassenden und uneingeschränkten Vertretungsbefugnis nach Art. 38 Abs. 1 GO BY aF wirksam, ohne dass es hierzu eines Gemeinderatsbeschlusses bedarf oder bedurfte (Bestätigung von Senat, Urteil vom 18. November 2016 – V ZR 266/14, BGHZ 213, 30).

BGH, Beschluss vom 16.12.2022 – V ZR 144/21


Keine Verpflichtung des Vorsorgebevollmächtigten zur persönlichen Betreuung des Vollmachtgebers

BGB a. F. § 1896 Abs. 2 S. 2

Soweit in einer Vorsorgevollmacht keine anderweitigen Regelungen enthalten sind, berechtigt die Vorsorgevollmacht den Bevollmächtigten nur zur rechtlichen Vertretung, verpflichtet aber nicht zur persönlichen Betreuung des Vollmachtgebers. Der Vorsorgebevollmächtigte hat nur die notwendigen tatsächlichen Hilfen zu besorgen, nicht jedoch selbst zu leisten.

BGH, Beschluss vom 16.11.2022 – XII ZB 212/22


Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks; Begründungserfordernis

BGB § 530

Die Erklärung des Widerrufs einer Schenkung wegen groben Undanks bedarf keiner Begründung.

BGH, Urteil vom 11.10.2022 – X ZR 42/20


Zugang von E-Mails im unternehmerischen Geschäftsverkehr

BGB §§ 130, 145, 147 Abs. 2

Wird eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt, ist sie dem Empfänger grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugegangen. Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang nicht erforderlich.

BGH, Urteil vom 06.10.2022 – VII ZR 895/21


Reichweite des Haftungsausschlusses bei offenbarungspflichtigem Mangel

BGB §§ 437 Nr. 3, 444

  1. Dem Käufer eines Grundstücks stehen Schadensersatzansprüche nach § 437 Nr. 3 i. V. m. §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 u. 2 BGB nur zu, wenn der Verkäufer, der keine Garantie für eine bestimmte Beschaffenheit des Grundstücks übernommen hat, sich nach § 444 BGB nicht auf einen vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss berufen kann, weil er dem Käufer einen Mangel des Grundstücks arglistig verschwiegen hat.
  2. Dem Verkäufer obliegt die sekundäre Darlegungslast, dazu vorzutragen, weshalb er davon ausgeht, dass der Käufer bei Vertragsschluss trotz unterbliebener Offenbarung Kenntnis von einem Mangel gehabt habe.
  3. Konstellationen, in denen dem Käufer auf andere Weise als durch Besichtigung die Möglichkeit gegeben wird, sich Kenntnis von einem Mangel des Kaufobjekts zu verschaffen, stehen der Besichtigungsmöglichkeit nicht ohne Weiteres gleich. Mit Blick auf übergebene Unterlagen, aus denen sich die Mangelhaftigkeit der Sache ergibt, ist eine Gleichstellung nur dann gerechtfertigt, wenn der Verkäufer aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen als Grundlage seiner Kaufentscheidung durchsehen wird.

(nichtamtliche Leitsätze)

BGH, Urteil vom 23.09.2022 – V ZR 133/21


Vertretung der verwalterlosen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Aktivprozess gegen einzelne Wohnungseigentümer

WEG §§ 9b Abs. 1 S. 2, 18 Abs. 1

  1. Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Verwalter, so wird sie bei einer gegen einzelne Wohnungseigentümer gerichteten Klage durch die übrigen Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten. Verbleibt nur ein Wohnungseigentümer, der keinem Vertretungsverbot unterliegt, vertritt er den klagenden Verband allein (Fortführung von Senat, Urteil vom 8. Juli 2022 – V ZR 202/21, juris).
  2. In einer verwalterlosen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bedarf die Erhebung einer gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer gerichteten Klage auf anteilige Zahlung einer beschlossenen Sonderumlage keiner auf die Klageerhebung bezogenen Beschlussfassung.
  3. Erhebt der Verwalter im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Klage gegen einzelne Wohnungseigentümer, sind Beschränkungen seiner Vertretungsmacht im Innenverhältnis, die die Befugnis zur Klageerhebung betreffen, jedenfalls im Grundsatz nicht zu überprüfen.

BGH, Urteil vom 16.09.2022 – V ZR 180/21


Teilung des Versicherungsselbstbehalts bei Wohnungseigentümern

WEG §§ 10 Abs. 2, 16 Abs. 2, 18 Abs. 2 Nr. 1

  1. Kommt es für die Frage, ob eine Verwaltungsmaßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, auf eine umstrittene und höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage an (hier: Verteilung des Selbstbehalts in einer verbundenen Gebäudeversicherung), ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt, durch Mehrheitsbeschluss zu entscheiden, welche Auffassung für die künftige Verwaltungspraxis maßgeblich sein soll. Ein solcher Beschluss kann mit einer Beschlussersetzungsklage gerichtlich erzwungen werden.
  2. a) Tritt in einer Wohnungseigentumsanlage aufgrund einer defekten Wasserleitung ein Schaden ein, ist ein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in der verbundenen Gebäudeversicherung vereinbarter Selbstbehalt, durch den der Versicherer einen bestimmten Teil des ansonsten versicherten Interesses nicht zu ersetzen hat, wie die Versicherungsprämie nach dem gesetzlichen bzw. vereinbarten Verteilungsschlüssel zu verteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Leitungswasserschaden an dem Gemeinschaftseigentum oder – ausschließlich oder teilweise – an dem Sondereigentum entstanden ist.
    b) Die Wohnungseigentümer können gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG eine von dem allgemeinen Umlageschlüssel abweichende Verteilung des Selbstbehalts beschließen.
    c) Ein auf § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG gestützter Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Anpassung der Kostenverteilung für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten ist nur dann gegeben, wenn zugleich die in § 10 Abs. 2 WEG genannten Voraussetzungen vorliegen (Fortführung von Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 27). Dies gilt auch bei der Verteilung eines in der verbundenen Gebäudeversicherung vereinbarten Selbstbehalts.

BGH, Urteil vom 16.09.2022 – V ZR 69/21


Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu Testamentsvollstreckung richtet sich nach Auslegung der Vollmachtsurkunde und der letztwilligen Verfügung im Einzelfall

BGB §§ 133, 2224, 2197

Das Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall aufgrund einer Auslegung der Vollmachtsurkunde und der letztwilligen Verfügung unter Berücksichtigung des Erblasserwillens ermittelt werden.

BGH, Beschluss vom 14.09.2022 – IV ZB 34/21


Dispositionsbefugnis bei Kettenschenkung

FGO §§ 115 Abs. 2 Nr. 1 u. 2; ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1

  1. NV: Wird ein Gegenstand in der Weise verschenkt, dass der erste Empfänger ihn unmittelbar darauf an einen Dritten weiterreicht, ist im Verhältnis Zuwendender/erster Empfänger zu prüfen, ob bereits zivilrechtlich eine Schenkung unmittelbar an den Dritten vorliegt.
  2. NV: Anderenfalls ist im Verhältnis erster Empfänger/zweiter Empfänger bzw. Dritter zu prüfen, ob dem ersten Empfänger eine Dispositionsbefugnis über den Gegenstand verbleibt. Fehlt es daran, liegt steuerrechtlich eine Schenkung unmittelbar an den Dritten vor.
  3. NV: Werden die beiden Verträge in einer Urkunde zusammengefasst oder in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Urkunden abgeschlossen, muss sich die Dispositionsbefugnis eindeutig aus dem Vertrag oder den Umständen ergeben.

BFH, Beschluss vom 28.07.2022 – II B 37/21


Gerichtliche Bestellung von Liquidatoren; Eintragung einer gelöschten GmbH von Amts wegen

GmbHG §§ 66 Abs. 4 u. 5, 70

Eine gelöschte GmbH und ihre Liquidatoren sind grundsätzlich von Amts wegen einzutragen, wenn die Liquidatoren durch das Gericht ernannt worden sind, weil sich nach der Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit herausstellt, dass Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt.

BGH, Beschluss vom 26.07.2022 – II ZB 20/21


Negativzeugnis zum gesetzlichen Vorkaufsrecht der Gemeinde: kein Prüfungsrecht der Gemeinde bezüglich der Wirksamkeit des Kaufvertrags

BauGB § 28 Abs. 1 S. 3

Steht einer Gemeinde kein Vorkaufsrecht zu, kann sie die Ausstellung eines Negativzeugnisses im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB nicht mit der Begründung verweigern, der Kaufvertrag sei wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) nichtig. Denn die Gemeinde hat in diesem Fall kein über die Frage des Bestehens eines Vorkaufsrechts nach den § 24, § 25 BauGB hinausgehendes Recht, die Vereinbarkeit der vertraglichen Regelungen mit anderen öffentlich-rechtlichen oder zivilrechtlichen Vorgaben zu prüfen.

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.07.2022 – 5 S 2129/20


Inhalt der Geschäftsführerversicherung bzgl. §§ 265c bis 265e StGB; dynamische Verweisung

GmbHG § 6 Abs. 2 S. 2

§ 6 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 Nr. 3 Buchst. e GmbHG verweist auch auf die §§ 265c bis 265e StGB.

BGH, Beschluss vom 28.06.2022 – II ZB 8/22


Teilungsversteigerung eines Grundstücks

ZVG § 180 Abs. 1

Vereinigen sich die Miteigentumsanteile an einem Grundstück in der Hand eines Eigentümers und wird ein Anspruch des Übertragenden auf Rückübereignung eines Miteigentumsanteils durch Vormerkung gesichert, kommt eine Teilungsversteigerung des Grundstücks in analoger Anwendung von § 180 Abs. 1 ZVG nicht in Betracht.

BGH, Beschluss vom 23.06.2022 – V ZB 32/21


Erforderlichkeit einer Betreuung bei fehlender Eignung des Vorsorgebevollmächtigten

BGB § 1896 Abs. 2 S. 2

Steht die Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht fest, kann gleichwohl eine Betreuung erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Letzteres ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte mangels Befähigung oder wegen erheblicher Bedenken an seiner Redlichkeit als ungeeignet erscheint (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 19. Mai 2021 – XII ZB 518/20 – FamRZ 2021, 1654 und vom 21. April 2021 – XII ZB 164/20 – FamRZ 2021, 1236).

BGH, Beschluss vom 15.06.2022 – XII ZB 85/22


Einräumung eines Notwegrechts auch bei technischer Nichtherstellbarkeit einer Verbindung

BGB §§ 916, 917 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 S. 2, 918 Abs. 1

  1. Fehlt einem bebauten Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg deshalb, weil die in der bestandskräftigen Baugenehmigung vorgesehene Zuwegung schon bei der Bebauung technisch nicht herstellbar war oder jedenfalls nicht (mehr) hergestellt werden kann, ist das Notwegrecht nicht gemäß § 918 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
  2. Wird durch den Notweg eine Dienstbarkeit an dem Nachbargrundstück beeinträchtigt, muss der Eigentümer des verbindungslosen Grundstücks die Duldung des Notwegs nicht nur von dem Eigentümer des Nachbargrundstücks, sondern auch von dem Dienstbarkeitsberechtigten verlangen.
  3. Ob eine Zuwegung zu einem bebauten Grundstück den Anforderungen an eine zur ordnungsmäßigen Grundstücksnutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg genügt, beurteilt sich nach den aktuellen technischen und rechtlichen Voraussetzungen und nicht nach den Gegebenheiten bei Erteilung der Baugenehmigung.

BGH, Urteil vom 13.05.2022 – V ZR 4/21


Auslegung des Begriffs „Bargeld“ in einem Testament

BGB §§ 133, 2084, 2174

  1. Zur Auslegung des Begriffes „vorhandenes Bargeld“ in einem privatschriftlichen Testament.
  2. Wendet der Erblasser im Wege des Vermächtnisses mehreren Vermächtnisnehmern das bei seinem Tode „vorhandene Bargeld“ zu, ist eine Auslegung, wonach dieses Bargeld auch „leicht verfügbare Bankguthaben“ erfasst (OLG Karlsruhe ZEV 2007, 380) möglich, aber nicht zwingend.
  3. Es gibt keine Regel, nach der unter dem Begriff „Bargeld“ zwangsläufig auch das auf Bankkonten liegende Geld umfasst wird.
  4. Umstände, die im Rahmen der Testamentsauslegung herangezogen werden sollen, müssen entweder unstreitig oder zuvor vom Gericht festgestellt worden sein.

OLG München, Beschluss vom 05.04.2022 – 33 U 1473/21


Keine Ausschlagung der Erbschaft durch den Nachlasspfleger

BGB §§ 1952, 1960

Der Nachlasspfleger ist nicht berechtigt, mit Wirkung für die unbekannten Erben eine in den Nachlass des Erblassers gefallene weitere Erbschaft auszuschlagen. Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ist ein allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zustehendes Recht.

BGH, Beschluss vom 16.03.2022 – IV ZB 27/21


Nicht aufgewendete Mängelbeseitigungskosten bei kaufvertraglichen Schadensersatzansprüchen

ZPO § 287 Abs. 1; BGB §§ 280, 281, 437 Nr. 3

Wird der kaufvertragliche Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten bemessen, hat das Gericht eine Schadensermittlung nach den Grundsätzen des § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmen und insoweit zu prüfen, in welcher Höhe ein Schaden überwiegend wahrscheinlich ist; das gilt auch und gerade dann, wenn in einem Sachverständigengutachten eine Schätzungsbandbreite (hier: +/- 30 %) genannt wird.

BGH, Urteil vom 11.03.2022 – V ZR 35/21


Erforderlichkeit konkreten Betreuungsbedarfs für die Betreuerbestellung

BGB § 1896 Abs. 2; FamFG §§ 34 Abs. 3, 37 Abs. 2, 68 Abs. 3 Satz 2, 288 Abs. 1 Satz 1

  1. Sieht das Betreuungsgericht entsprechend § 288 Abs. 1 FamFG von der Bekanntgabe eines Gutachtens an den Betroffenen ab, kann durch die Bekanntgabe des Gutachtens an den Verfahrenspfleger allenfalls dann ein notwendiges Mindestmaß rechtlichen Gehörs sichergestellt werden, wenn zusätzlich die Erwartung gerechtfertigt ist, dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht. Letzteres setzt in der Regel einen entsprechenden Hinweis des Betreuungsgerichts an den Verfahrenspfleger voraus (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 21. 10. 2020 – XII ZB 153/20, FamRZ 2021, 385).
  2. Die Erforderlichkeit einer Betreuung gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB kann sich nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen ergeben, seine Angelegenheiten selbst regeln zu können (Betreuungsbedürftigkeit). Hinzutreten muss ein konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen. Dabei genügt es, wenn ein Handlungsbedarf in dem betreffenden Aufgabenkreis jederzeit auftreten kann (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 30. 6. 2021 – XII ZB 73/21, FamRZ 2021, 1737).

BGH, Beschluss vom 02.03. 2022 – XII ZB 558/21


Unwirksamkeit der Vereinbarung eines höheren Kaufpreises für den Vorkaufsberechtigten

BGB §§ 463, 577

Die in einem Kaufvertrag über eine mit einem Vorkaufsrecht des Mieters belastete Eigentumswohnung zwischen dem Vorkaufsverpflichteten (Verkäufer) und dem Dritten (Erstkäufer) getroffene Abrede, wonach der Vorkaufsberechtigte (Mieter) einen höheren Preis zu bezahlen hat als der Erstkäufer, stellt eine in Bezug auf den höheren Preis unzulässige und deshalb insoweit unwirksame Vereinbarung zu Lasten Dritter dar. Das gilt auch dann, wenn der Erstkäufer – wie in der hier zu beurteilenden Preisabrede vorgesehen – den höheren Kaufpreis nur ausnahmsweise (unter bestimmten engen Voraussetzungen) zu entrichten hat, während der Vorkaufsberechtigte diesen bei Ausübung des Vorkaufsrechts stets schuldet.

BGH, Urteil vom 23.02.2022 – VIII ZR 305/20


Nachweis der Erbfolge durch letztwillige Verfügung mit „Scheidungsklausel“

GBO § 35 Abs. 1 S. 2; BGB § 2077 Abs. 1

  1. Einem Nachweis der Erbfolge des überlebenden Ehegatten gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO steht nicht entgegen, dass die letztwillige Verfügung eine dem § 2077 Abs. 1 BGB entsprechende Scheidungsklausel enthält, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass deren Voraussetzungen erfüllt sind.
  2. Das gilt auch, wenn die Scheidungsklausel abweichend von § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB vorsieht, dass die letztwillige Verfügung bereits dann unwirksam sein soll, wenn der überlebende Ehegatte einen Scheidungsantrag gestellt hat.

BGH, Beschluss vom 17.02.2022 – V ZB 14/21


Tod des Gesellschafters einer im Grundbuch eingetragenen GbR: Buchposition des Gesellschafters stellt keine gesondert vererbliche Rechtsposition dar

GBO § 19, § 47 Abs. 2 Satz 2; BGB § 1922 Abs. 1
GBO § 27 Satz 1, § 40 Abs. 2 Alt. 1, § 47 Abs. 2 Satz 2

  1. Nach dem Tod des Gesellschafters einer im Grundbuch als Eigentümerin eines Grundstücks eingetragenen GbR stellt die Buchposition des Gesellschafters keine gesondert vererbliche Rechtsposition dar; die Rechtsnachfolge in die Gesellschafterstellung vollzieht sich insgesamt nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags.
  2. Soll eine auf dem Grundstück einer GbR lastende Grundschuld nach dem Tod eines Gesellschafters mit Zustimmung des Testamentsvollstreckers und der verbliebenen Gesellschafter gelöscht werden, ohne zuvor das Grundbuch zu berichtigen, muss die Zustimmungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nachgewiesen werden (Abgrenzung zu Senat, Beschluss vom 13. Juli 2017 – V ZB 136/16, NJW 2017, 3715 Rn. 16 a.E.)
    3. Der Nachweis der Zustimmungsbefugnis ist jedenfalls dann erbracht, wenn sich aus der in der Form des § 29 GBO eingereichten Zustimmungserklärung des Testamentsvollstreckers und der übrigen Gesellschafter ergibt, dass es keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag gibt und besondere gesellschaftsvertragliche Abreden für den Todesfall nicht getroffen worden sind, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an diesen Angaben bestehen; eidesstattlicher Versicherungen bedarf es nicht.

BGH, Beschluss vom 10.02.2022 – V ZB 87/20


Keine Fortsetzung einer GmbH bei Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse

GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 5

Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelöst, kann sie nicht fortgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über ein das satzungsgemäße Stammkapital übersteigendes Vermögen verfügt und die Insolvenzgründe beseitigt wurden.

BGH, Beschluss vom 25.01.2022 – II ZB 8/21


Beendigung des Nießbrauchs nach Kündigung des zugrunde liegenden Kausalgeschäfts

BGB §§ 314 Abs. 1, 1030

  1. Der Nießbrauch und das mit seiner Bestellung zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher entstehende besondere gesetzliche Schuldverhältnis sind einer Kündigung gemäß § 314 Abs. 1 BGB nicht zugänglich.
  2. Ist in dem der Nießbrauchsbestellung zugrunde liegenden Kausalgeschäft die Zahlung eines wiederkehrenden Entgelts vereinbart und zahlt der Nießbraucher das Entgelt nicht, kann der Eigentümer das Kausalverhältnis unter den weiteren Voraussetzungen des § 314 BGB kündigen und den Nießbrauch kondizieren (Abgrenzung von Senat, Urt. v. 13. 11. 1998 – V ZR 29/981, NJW-RR 1999, 376, 377).
  3. Hiervon zu unterscheiden sind Vereinbarungen, die das durch die Bestellung des Nießbrauchs entstehende gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Nießbraucher und Eigentümer betreffen. Eine Verletzung daraus folgender Pflichten berechtigt den Eigentümer nicht zu einer Beendigung des Nießbrauchs nach den Vorschriften des Leistungsstörungsrechts.

BGH, Versäumnisurteil vom 21. 01. 2022 – V ZR 233/20


Unverjährbarkeit des Zustimmungsanspruchs des Vormerkungsberechtigten

BGB §§ 888, 902 Abs. 1 S. 1

  1. Der aus § 888 Abs. 1 BGB folgende Zustimmungsanspruch des Vormerkungsberechtigten ist in entsprechender Anwendung von § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unverjährbar.
  2. Ist allerdings der durch die Vormerkung gesicherte schuldrechtliche Anspruch verjährt, kann der vormerkungswidrig Eingetragene im Grundsatz die dem Schuldner zustehende Einrede der Verjährung gegen den gesicherten Anspruch erheben und die Zustimmung aus diesem Grund verweigern.

BGH, Urteil vom 14.01.2022 – V ZR 245/20


UG (Unternehmergesellschaft): Rechtsscheinhaftung bei fehlendem Rechtsformzusatz

GmbHG § 5a; BGB §§ 31, 179, 311 Abs. 2

Weist eine Unternehmergesellschaft im Sinne von § 5a GmbHG nicht – wie im Gesetz vorgesehen – ihre Rechtsform und die Haftungsbeschränkung in der Firma aus, haftet ihr im Rechtsverkehr auftretender Vertreter für den dadurch erzeugten unrichtigen Rechtsschein gemäß § 311 Abs. 2 und 3, § 179 BGB analog (Anschluss an BGH, Urteil vom 12. Juni 2012 – II ZR 256/11).

BGH, Urteil vom 13.01.2022 – III ZR 210/20


Wucherähnliches Geschäft; Vollzug eines Kaufvertrags bei Vorliegen eines entsprechenden Verkehrswertgutachtens

BNotO § 15; BeurkG § 53

  1. Die Beschwerde nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BNotO kann auf neue Tatsachen gestützt werden (§ 65 Abs. 3 FamFG i. V. m. § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO). Unabhängig davon hat das Beschwerdegericht die Beschwerde wie ein Erstgericht auf alle Gründe zu prüfen, die ihr zum Erfolg verhelfen können (§ 68 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO); dabei hat es auch nach der Entscheidung des Notars bekanntgewordene Umstände zu berücksichtigen.
  2. Bescheide oder Gutachten über den Wert eines verkauften Grundstücks sind grundsätzlich ungeeignet, die evidente Unwirksamkeit eines über das Grundstück geschlossenen Kaufvertrags unter dem Gesichtspunkt eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts gegenüber dem Notar zu belegen; er muss sie daher im Rahmen seiner Vollzugstätigkeit nach § 53 BeurkG nicht prüfen. Entsprechendes gilt für das Beschwerdegericht, das im Rahmen einer Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO nur zu entscheiden hat, ob der Notar pflichtwidrig handelt.

BGH, Beschluss vom 09.12.2021 – V ZB 25/21


Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Lesefähigkeit des Erblassers

BGB § 2247 Abs. 4

Wer Geschriebenes nicht zu lesen vermag, kann gem. § 2247 Abs. 4 BGB kein eigenhändiges Testament errichten. Die Darlegungs- und Beweislast für die  mangelnde Lesefähigkeit des Erblassers trägt grds. derjenige, der sich auf diesen Einwand beruft. Kann die Beweisaufnahme keine Klarheit hierüber erbringen, so ist vom Regelfall auszugehen, nämlich der Lesefähigkeit des Testierenden. (n. amtl. Ls.)

BGH, Beschluss vom 24.11.2021 – IV ZR 132/21


Einrede des nicht erfüllten Vertrags bei geringfügigem Mangel des Grundstücks

BGB § 320

Weist die Kaufsache einen behebbaren Mangel auf, ist der Käufer grundsätzlich selbst dann berechtigt, gemäß § 320 Abs. 1 BGB die Zahlung des Kaufpreises insgesamt zu verweigern, wenn es sich um einen geringfügigen Mangel handelt (Bestätigung von Senat, Urteil vom 14. Februar 2020 – V ZR 11/18, BGHZ 225, 1 Rn. 53).

BGH, Urteil vom 19.11.2021 – V ZR 104/20


Erbeinsetzung in einer formunwirksamen Anlage zum Testament

BGB §§ 2247, 2267

Zur Unwirksamkeit einer Erbeinsetzung, wenn die Erben in einem eigenhändigen Testament erst durch Bezugnahme auf eine nicht die Testamentsform wahrende Anlage individualisierbar bestimmt werden.

BGH, Beschluss vom 10.11.2021 – IV ZB 30/20


Wirksamer Erlass von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen durch sozialhilferechtlichen Leistungsempfänger

BGB § 2346 Abs. 2, §§ 397, 138 Abs. 1

Auf einen nach dem Erbfall vereinbarten Verzicht eines sozialhilferechtlichen Leistungsempfängers auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche in Form eines Erlassvertrags gem. § 397 BGB sind die Grundsätze des BGH zur Wirksamkeit von Pflichtteilsverzichtsverträgen gem. § 2346 Abs. 2 BGB übertragbar. Ein solcher nachträglicher Verzicht ist nicht sittenwidrig. (n. amtl. Ls.)

OLG Hamm, Urteil vom 09.11.2021 – 10 U 19/21


Voreintragungsgrundsatz bei Bestellung einer Grundschuld durch transmortal Bevollmächtigten

GBO §§ 39 Abs. 1, 40 Abs. 1

Zur Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld aufgrund einer transmortalen Vollmacht bedarf es keiner Voreintragung der Erben als Eigentümer des Grundbesitzes. (n. amtl. Ls.)

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.10.2021 – 19 W 72/21 (Wx)


Volljährigenadoption; Feststellung der Identität des Anzunehmenden; sittliche Rechtfertigung

BGB §§ 1767, 1769; FamFG § 193

  1. Für den Ausspruch einer Annahme als Kind muss die Identität des Anzunehmenden grundsätzlich feststehen; das gilt auch dann, wenn es sich dabei um einen Flüchtling handelt.
  2. Zur sittlichen Rechtfertigung einer Volljährigenadoption.
  3. Im Adoptionsverfahren bedarf es einer Anhörung der Kinder des Annehmenden und des Anzunehmenden nach Sinn und Zweck des § 193 FamFG nicht, wenn das Gericht bereits die sittliche Rechtfertigung der Annahme eines Volljährigen verneint und den Adoptionsantrag zurückweist.

BGH, Beschluss vom 25.08.2021 – XII ZB 442/18


Überlassungsvertrag; Wegfall der Geschäftsgrundlage

BGB § 313

Bei einem Übertragungsvertrag mit Pflegevereinbarung unter Geschwistern ist die dauerhafte, von gegenseitigem Vertrauen der Parteien getragene Beziehung im Zweifel Geschäftsgrundlage des Vertrags. Ist das Verhältnis zwischen dem Übertragenden und dem Übernehmenden heillos zerrüttet, führt dies – vorbehaltlich vertraglicher Vereinbarungen – zu dem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Der Übertragende kann die Rechte aus § 313 BGB geltend machen, es sei denn, die Zerrüttung ist eindeutig ihm allein anzulasten.

BGH, Urteil vom 09.07.2021 – V ZR 30/20


Anspruch auf Erteilung von Abschriften nur bei konkreter Benennung; kein Anspruch gegen den Notar auf pauschale Auskunftserteilung

BeurkG § 51

§ 51 BeurkG verpflichtet den Notar weder dazu, einem Urkundsbeteiligten oder seinem Rechtsnachfolger Auskunft darüber zu erteilen, ob er oder sein Rechtsvorgänger überhaupt an der Errichtung von Niederschriften beteiligt waren, die in dem Notariat errichtet wurden oder verwahrt werden, noch dazu, ihnen alle Niederschriften zu benennen, an denen diese beteiligt waren. Der Notar ist auch nicht verpflichtet, einem pauschalen Antrag auf Erteilung von Abschriften aller Niederschriften zu entsprechen, die Erklärungen des Urkundsbeteiligten oder seines Rechtsvorgängers enthalten.

BGH, Beschluss vom 08.07.2021 – V ZB 42/19


Keine Vertretungsmacht des Prokuristen für Grundstücksgeschäfte

HGB § 49 Abs. 2

Die gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB besteht unabhängig davon, ob der Kaufmann Eigentümer des Grundstücks ist (Anschluss an OLG Köln, NJW-RR 2020, 530; entgegen OLG Hamm, DNotZ 2012, 230).

KG, Beschluss vom 05.07.2021 – 1 W 26/21


Übergang der Organstellung des Verwalters bei Ausgliederung aus dem Vermögen eines zum Verwalter bestellten e. K.

WEG § 26 Abs. 1; UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 2

Bei der Ausgliederung eines zum Verwalter bestellten einzelkaufmännischen Unternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft gehen die Organstellung und der Verwaltervertrag in aller Regel im Wege der Rechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger über; allein der Umstand, dass eine natürliche Person zum Verwalter bestellt wurde, gibt dem Verwalteramt und -vertrag nicht ein höchstpersönliches Gepräge (Fortführung von Senat, Urteil vom 21. Februar 2014 – V ZR 164/13, BGHZ 200, 221).

BGH, Urteil vom 02.07.2021 – V ZR 201/20


Ausschluss der Änderung des Bezugsberechtigten durch Testament oder Erbvertrag; AGB; Inhaltskontrolle

BGB §§ 305c, 307 Abs. 1, Abs. 2, 309 Nr. 13

Eine von der versprechenden Bank im Rahmen einer Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall vorformulierte Klausel, wonach ein Widerruf der Drittbegünstigung bezogen auf das Deckungsverhältnis nur durch eine (schriftliche) Erklärung des Versprechensempfängers gegenüber der Bank erfolgen kann, erweist sich weder als überraschend noch als unwirksam.

OLG Dresden, Urteil vom 01.07.2021 – 8 U 276/21


Anforderungen an das „elektronische Zeugnis“ i. S. d. § 12 Abs. 2 HGB; Erfordernis der qualifizierten elektronischen Signatur eines Notars

HGB § 12 Abs. 2; BeurkG § 39a; BGB § 126a

Die Anmeldung einer Eintragung in das Handelsregister ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 HGB mit einem einfachen elektronischen Zeugnis eines Notars gemäß § 39a BeurkG elektronisch einzureichen. Die Einreichung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Ausstellers der Anmeldung gemäß § 126a BGB reicht nicht aus.

BGH, Beschluss vom 15.06.2021 – II ZB 25/17


Verwendung des Begriffs „partners“ in der Firma einer GmbH

PartGG § 11 Abs. 1

Die Verwendung des Begriffs „partners“ in der Firma einer GmbH ist zulässig.

BGH, Beschluss vom 13.04.2021 – II ZB 13/20


Denkmaleigenschaft als Sachmangel; Wissenszurechnung beim Verkauf durch den Testamentsvollstrecker

BGB §§ 166, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2

  1. Die Denkmaleigenschaft des Kaufobjekts kann einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB begründen.
  2. a) Verkauft der Testamentsvollstrecker ein Nachlassgrundstück, kann ihm die Kenntnis der Erben über Mängel der Kaufsache oder andere offenbarungspflichtige Umstände nicht nach den für juristische Personen und öffentliche Körperschaften geltenden Grundsätzen über die „Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustausches“ zugerechnet werden.
    b) Eine solche Zurechnung findet auch im Verhältnis eines Grundstücksverkäufers zu einer von ihm (nur) mit der Verwaltung des Grundstücks beauftragten, rechtlich und organisatorisch selbstständigen Hausverwaltung nicht statt (Bestätigung von Senat, Urteil vom 22. November 1996 – V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270).

BGH, Urteil vom 19.03.2021 – V ZR 158/19


Bedingte Ausübungsbefugnis (hier: Zahlung eines Nutzungsentgelts) als Inhalt einer Dienstbarkeit; Erlöschen durch Verjährung des Beseitigungsanspruchs bzgl. einer baulichen Anlage

BGB §§ 902 Abs. 1, 1018, 1028 Abs. 1 S. 2

Die Befugnis zur Ausübung der Dienstbarkeit kann mit dinglicher Wirkung unter die Bedingung der Zahlung eines Entgelts gestellt werden. Eine solche Bedingung muss – anders als eine den Bestand des Rechts betreffende Bedingung – nicht in das Grundbuch selbst eingetragen werden; es genügt die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung (Fortführung von Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2020 – V ZB 51/20, ZfIR 2021, 32).

BGH, Urteil vom 19.03.2021 – V ZR 44/19


Überlassung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt; (kein) Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung

BGB § 1821 Abs. 1 Nr. 1; GBO § 19

Die Bestellung eines Nießbrauchs oder eines Grundpfandrechts im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb eines Minderjährigen ist jedenfalls dann nicht nach § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB genehmigungsbedürftig, wenn sich die Belastung bei wirtschaftlicher Betrachtung als Teil des Erwerbsvorgangs darstellt und die Auflassung und die dingliche Einigung über die Belastung gleichzeitig erfolgen; die Belastung bedarf nicht deshalb der familiengerichtlichen Genehmigung, weil ihre Eintragung in das Grundbuch erst nach Umschreibung des Eigentums an dem Grundstück bewilligt und beantragt wird.

BGH, Beschl. v. 11.3.2021 – V ZB 127/19


Unionsautonome Auslegung zur Bestimmung der konkludenten Rechtswahl

EuErbVO Art. 22 Abs. 2, 83 Abs. 2

Die Frage, ob der Erblasser eine konkludente Rechtswahl im Sinne von Art. 22 Abs. 2 EuErbVO getroffen hat, ist unionsautonom und nicht unter Rückgriff auf das hypothetisch gewählte Recht zu beurteilen (hier: Wahl des deutschen Rechts für die Bindungswirkung in einem zwischen einer deutschen Erblasserin und ihrem österreichischen Ehemann geschlossenen Erbvertrag im Sinne von Art. 3 Abs. 1 b) EuErbVO).

BGH, Beschl. v. 24.2.2021 – IV ZB 33/20


Rücktritt vom Erbvertrag gegenüber Vorsorgebevollmächtigtem des geschäftsunfähigen Vertragspartners

BGB §§ 2296 Abs. 2, 1896 Abs. 2 S. 2, 131 Abs. 1, 164 Abs. 3

  1. Zur Beschwerdeberechtigung eines Dritten gegen die Ablehnung einer Betreuung, der geltend macht, zur Ausübung eines materiellen Rechts gegenüber dem Betroffenen auf die Betreuerbestellung angewiesen zu sein (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 19. Januar 2011 – XII ZB 326/10, FamRZ 2011, 465).
  2. Dass der andere Vertragsschließende geschäftsunfähig geworden ist, schließt den vertraglich vorbehaltenen Rücktritt vom Erbvertrag ihm gegenüber nicht aus.
  3. Der Rücktritt vom Erbvertrag kann bei Geschäftsunfähigkeit des anderen Vertragschließenden jedenfalls grundsätzlich wirksam gegenüber dessen Vorsorgebevollmächtigtem erfolgen.

BGH, Beschl. v. 27.01.2021 – XII ZB 450/20


Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses; negative Legitimationswirkung der Gesellschafterliste

GmbHG § 16 Abs. 1 S. 1

  1. a) Der Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses durch einen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr als Inhaber eines Geschäftsanteils eingetragenen Gesellschafter einer GmbH steht grundsätzlich die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entgegen.
    b) Fehlt dem Kläger die Anfechtungsbefugnis, weil er nicht als Inhaber eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterliste eingetragen ist, fehlt ihm auch die materielle Berechtigung zur Geltendmachung von auf positive Beschlussfeststellung gerichteten Klageanträgen.
  2. Die Anfechtung des Beschlusses der Gesellschafterversammlung einer GmbH kann analog § 244 Satz 1 AktG nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Gesellschafterversammlung den anfechtbaren Beschluss durch einen neuen Beschluss bestätigt hat und dieser Beschluss nicht fristgerecht angefochten oder die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist.

BGH, Urteil vom 26.01.2021 – II ZR 391/18


Keine Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle auf Gemeinschaftsordnungen

BGB §§ 305 Abs. 1, 307, 242; WEG §§ 10 Abs. 2, 24 Abs. 4

  1. Die Regelungen über die Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff. BGB) sind auf die Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht entsprechend anwendbar.
  2. Von dem teilenden Eigentümer vorgegebene Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung, die in einem spezifischen Zusammenhang mit der einseitigen Aufteilung stehen, unterliegen einer Inhaltskontrolle im Hinblick auf einen Missbrauch der einseitigen Gestaltungsmacht; diese Inhaltskontrolle richtet sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls am Maßstab von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB aus.
  3. Enthält die Gemeinschaftsordnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft für die Eigentümerversammlung folgende Regelung: „Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, die dem Verwalter von dem Wohnungseigentümer zuletzt mitgeteilt worden ist.“, so setzt die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung nicht den Zugang, sondern lediglich die rechtzeitige Absendung der Ladung an die Wohnungseigentümer voraus; dies bezieht sich auf alle Wohnungseigentümer und nicht nur auf diejenigen, die einen Wohnsitzwechsel nicht mitgeteilt haben. Eine solche Regelung ist wirksam.

BGH, Urteil vom 20.11.2020 – V ZR 196/19


GbR: Nachschüsse zum Zweck des Ausgleichs unter den Gesellschaftern

BGB § 735 S. 1

Auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die keine Publikumsgesellschaft ist, kann nach ihrer Auflösung, vertreten durch den Liquidator, Nachschüsse zum Zweck des Ausgleichs unter den Gesellschaftern einfordern.

BGH, Urt. v. 27.10.2020 – II ZR 150/19


Grundschuld: Kündigungserfordernis als Vollstreckungsbedingung; Nachweisverzicht;
Prüfungsumfang im Klauselerteilungsverfahren

BGB § 1193 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 724, 726 Abs. 1

  1. Bei dem Kündigungserfordernis des § 1193 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt es sich grundsätzlich um eine Vollstreckungsbedingung im Sinne des § 726 Abs. 1 ZPO, wenn sich der Schuldner in der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde in Ansehung der Grundschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat.
  2. Enthält die Urkunde außerdem die Erklärung, dass dem Gläubiger ohne Nachweis der das Bestehen und die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung begründenden Tatsachen eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilt werden kann, führt dies dazu, dass das Klauselerteilungsorgan auf Antrag eine einfache Vollstreckungsklausel gemäß § 724 ZPO zu erteilen hat.
  3. Ob dieser Nachweisverzicht aus materiell-rechtlichen Erwägungen unwirksam ist, ist im Klauselerteilungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen und kann deshalb vom Schuldner nicht mit Erfolg mit einer Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) geltend gemacht werden.

BGH, Beschl. v. 7.10.2020 – VII ZB 56/18


Kein Nachweis der Erbfolge mit eingezogenem Erbschein

GBO § 35 Abs. 1

Mit einem eingezogenen Erbschein kann der Nachweis der Erbfolge gemäß § 35 Abs. 1 GBO nicht geführt werden.

BGH, Beschl. v. 17.9.2020 – V ZB 8/20


Keine Berücksichtigung der Instandhaltungsrücklage bei Bemessung der Grunderwerbsteuer

GrEStG § 8 Abs. 1

Beim rechtsgeschäftlichen Erwerb von Teileigentum ist der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern.

BFH, Urteil vom 16.09.2020 – II R 49/17


GmbH: Beendigung der Liquidation trotz laufenden Besteuerungsverfahrens

GmbHG §§ 73 Abs. 1, 74 Abs. 1 u. 2

Zum Gesuch des Liquidators einer aufgelösten GmbH auf Eintragung, dass die Liquidation der Gesellschaft beendet, die Firma erloschen sei und Bücher und Schriften der Gesellschaft von ihm als letztem Liquidator verwahrt würden (hier: vom Senat missbilligte Ablehnung der Eintragung durch das Registergericht wegen fehlender Vollzugsreife mit Blick auf vom Finanzamt noch durchzuführende „steuerliche Veranlagungsarbeiten“).

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.08.2020 – 3 Wx 117/20


Haftung des Alleingesellschafters einer GmbH bei Handeln vor notarieller Beurkundung

BGB § 179

Existierte mangels notarieller Beurkundung bei Vertragsschluss noch keine Vorgesellschaft, haftet die spätere Gesellschaft nicht für das Handeln einer etwaigen Vorgründungsgesellschaft, sondern ihr Alleingesellschafter analog § 179 BGB als Vertreter ohne Vertretungsmacht.

OLG München, Endurteil vom 12.08.2020 – 20 U 4366/19


Potentielle Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht wegen Geschäftsunfähigkeit; Geschäftsunfähigkeit als Rechtsbegriff

BGB §§ 104 Nr. 2, 1896 Abs. 2; FamFG § 26

  1. Kann die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden, bleibt es bei der wirksamen Bevollmächtigung (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 – XII ZB 425/14, FamRZ 2016, 701).
  2. Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachterteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Dabei ist die Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB kein medizinischer Befund, sondern ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen das Gericht unter kritischer Würdigung des Sachverständigengutachtens festzustellen hat.

BGH, Beschluss vom 29.07.2020 – XII ZB 106/20


Lärmschutz: Änderung der Trittschalldämmung; Austausch des Bodenbelags

BGB § 1004 Abs. 1; WEG §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3

Der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende Schallschutz richtet sich nach der DIN 4109, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt und dabei nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich und die Geschossdecke eingegriffen wird. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche (Bestätigung von Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 – V ZR 195/11, NJW 2012, 2725 Rn. 9 ff.; Urteil vom 16. März 2018 – V ZR 276/16, NJW 2018, 2123 Rn. 9; Urteil vom 6. Juli 2018 – V ZR 221/17, ZWE 2019, 139 Rn. 9).

BGH, Urteil vom 26.06.2020 – V ZR 173/19


Erbschaftsteuerfestsetzung gegen unbekannte Erben

BGB §§ 1960 Abs. 1 S. 2; AO §§ 119 Abs. 1, 162 Abs. 1; ErbStG §§ 20 Abs. 1 S. 1, 31 Abs. 6, 32 Abs. 2

  1. Die Festsetzung von Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben ist zulässig, wenn hinreichend Zeit zur Verfügung stand, die Erben zu ermitteln.
  2. Für eine Erbenermittlung, die keine besonderen Schwierigkeiten aufweist, ist ein Zeitraum von einem Jahr ab dem Erbfall in der Regel angemessen. Jedenfalls nach Ablauf von drei Jahren und fünf Monaten ist es auch bei besonders schwierigen Erbenermittlungen nicht zu beanstanden, Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben festzusetzen.
  3. Der Bescheid ist dem Nachlasspfleger bekanntzugeben.

BFH, Urteil vom 17.06.2020 – II R 40/17


GbR: Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Anwachsung unter Ausschluss des
Abfindungsanspruchs

BGB § 2325 Abs. 1; 738 Abs. 1 S. 2

Die bei einer zweigliedrigen, vermögensverwaltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts für den Fall des Todes eines Gesellschafters vereinbarte Anwachsung seines Gesellschaftsanteils beim überlebenden Gesellschafter unter Ausschluss eines Abfindungsanspruchs kann eine Schenkung im Sinne von § 2325 Abs. 1 BGB sein.

BGH, Urteil vom 03.06.2020 – IV ZR 16/19


Anforderungen an die Unterschrift des Testators bei einem notariellen Testament

BeurkG § 13

  1. Mit der Unterschrift unter einer notariellen Urkunde dokumentieren die Beteiligten, dass sie sich ihre Erklärungen zurechnen lassen. Dagegen dient die Unterschrift nicht der Identifizierbarkeit der Urkundsbeteiligten.
  2. Für die Unterzeichnung eines notariell errichteten Testaments genügt es, wenn der Erblasser versucht, seinen Familiennamen zu schreiben, und die Unterschrift aufgrund einer krankheitsbedingten Schwächung aus einem Buchstaben und einer anschließenden geschlängelten Linie besteht.

OLG Köln, Beschluss vom 18.05.2020 – 2 Wx 102/20


(Keine) Aufklärungspflicht des Verkäufers bzgl. des Nichtbestehens einer Gebäudeversicherung

BGB §§ 241 Abs. 1, 280 Abs. 1; VVG § 95 Abs. 1

  1. Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks muss den Käufer grundsätzlich nicht ungefragt darüber unterrichten, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Gebäudeversicherung besteht; ebenso wenig muss er ihn über eine nach Vertragsschluss erfolgte Beendigung einer solchen Versicherung informieren. Dies gilt auch dann, wenn eine Gebäudeversicherung nach der Verkehrsanschauung üblich ist.
  2. Erklärt der Verkäufer dagegen vor oder bei Abschluss des Kaufvertrages, dass eine Gebäudeversicherung besteht, und wird das Versicherungsverhältnis vor Umschreibung des Eigentums beendet, trifft ihn in aller Regel die vertragliche Nebenpflicht, den Käufer hierüber unverzüglich zu unterrichten.

BGH, Urteil vom 20.03.2020 – V ZR 61/19


Keine Verwirkung des Vaterschaftsanfechtungsrechts der Mutter

BGB §§ 1599 Abs. 1, 1600 Abs. 1 Nr. 3

  1. Das Recht der Mutter auf Anfechtung der Vaterschaft ist nicht von weiteren Voraussetzungen und insbesondere nicht von einer Kindeswohldienlichkeit abhängig.
  2. Ein rechtsgeschäftlicher Ausschluss des Rechts auf Anfechtung der Vaterschaft ist nicht möglich, so dass ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht wirkungslos ist (im Anschluss an Senatsurteile vom 12. Juli 1995 – XII ZR 128/94 – FamRZ 1995, 1272 und BGHZ 129, 297 = FamRZ 1995, 861).
  3. Die Mutter ist nicht nach Treu und Glauben an der Anfechtung der durch Ehe begründeten Vaterschaft gehindert, wenn die  Ehe in dem beiderseitigen Wissen, dass die Braut von einem anderen Mann schwanger ist, und mit dem Ziel, dem Bräutigam den Status als rechtlicher Vater zu verschaffen, geschlossen worden ist (Fortführung von BGHZ 72, 299 = FamRZ 1979, 112 und BGHZ 2, 130).

BGH, Beschluss vom 18.03.2020 – XII ZB 321/19


Beschaffenheitsvereinbarung durch Angaben im Maklerexposé

BGB § 434 Abs. 1

  1. Die Angabe in einem Maklerexposé, ein Gebäude sei „mit wenigen Handgriffen bereit, neue Besitzer zu beherbergen“ stellt keine Beschaffenheitsgarantie bezüglich der Wohn- und Sanierungsstandards dar.
  2. Enthält der notarielle Kaufvertrag keine Angaben zur geschuldeten Beschaffenheit eines Grundstücks, kann der Käufer nicht davon ausgehen, dass der Verkäufer eine solche mit ihm vereinbaren wollte.

OLG Dresden, Beschluss vom 17.03.2020 – 4 U 2183/19


Erklärung der Auflassung vor einem ausländischen Notar

BGB § 925

Die in § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Auflassung bestimmte Form kann im Fall des Satzes 2 der Vorschrift nur durch deren Erklärung durch die gleichzeitig anwesenden Beteiligten vor einem im Inland bestellten Notar gewahrt werden.

BGH, Beschluss vom 13.02.2020 – V ZB 3/16


Nachlasspflegschaft für unbekannte Erben kann auch angeordnet werden, wenn Streit über Erbeneigenschaft besteht

BGB § 1960

Die Unbekanntheit der Erben ist aus der Sicht des Nachlassgerichts zu beurteilen. Erben können auch unbekannt sein, wenn Streit über die Testierfähigkeit des Erblassers und damit über die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung besteht. (nichtamtlicher Leitsatz)

OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.02.2020 – 3 W 137/19


Zulässigkeit eines Eltern-Kind-Zentrums in einer Teileigentumseinheit

BGB § 1004 Abs. 1; WEG § 15 Abs. 1; BImSchG § 22 Abs. 1a

  1. Bei der Prüfung, ob sich eine nach dem in der Teilungserklärung vereinbarten Zweck (hier: „Laden mit Lager“) ausgeschlossene Nutzung (hier: Betreiben eines Eltern-Kind-Zentrums) als zulässig erweist, weil sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung, ist regelmäßig die Ausstrahlungswirkung des § 22 Abs. 1a BImSchG auf das Wohnungseigentumsrecht zu berücksichtigen; dies gilt auch dann, wenn die Teilungserklärung vor Einfügung dieser Vorschrift in das Bundesimmissionsschutzgesetz errichtet worden ist.
  2. Der Einordnung eines Eltern-Kind-Zentrums als „Kindertageseinrichtung“ bzw. als eine „ähnliche Einrichtung“ i. S. d. § 22 Abs. 1a BImSchG steht nicht entgegen, dass die Veranstaltungen teilweise – neben den Angeboten nur für Kinder – unter Beteiligung von Familienmitgliedern durchgeführt werden und auch den Austausch der Eltern untereinander fördern sollen.
  3. Für die Anwendung des § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG ist es unerheblich, dass ein Eltern-Kind-Zentrum zusätzlich zu den privilegierten Angeboten nicht privilegierte Angebote ausschließlich an die Eltern macht, solange diesen  Angeboten eine nur untergeordnete Bedeutung zukommt.

BGH, Urteil vom 13.12.2019 – V ZR 203/18


Löschung der Eintragung eines Geschäftsführers aufgrund Wegfall persönlicher Voraussetzungen

GmbHG § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 lit. b; FamFG § 395 Abs. 1 S. 1; StGB §§ 25, 26, 27, 283 Abs. 1 Nr. 1

  1. Das Registergericht hat die Eintragung eines Geschäftsführers einer GmbH von Amts wegen im Handelsregister zu löschen, wenn eine persönliche Voraussetzung für dieses Amt gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG nach der Eintragung entfällt.
  2. Auch wer nicht als Täter (§ 25 StGB), sondern als Teilnehmer (§§ 26, 27 StGB) wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG rechtskräftig verurteilt worden ist, kann nicht Geschäftsführer einer GmbH sein.

BGH, Beschluss vom 03.12.2019 – II ZB 18/19


Gesamtschuldnerische Darlehensverpflichtung vor Eheschließung

BGB §§ 426 Abs. 1, 1374 Abs. 1, 1376 Abs. 1 u. 3

  1. Geht ein Ehegatte vor Eheschließung zur Finanzierung des Erwerbs einer Immobilie durch den anderen Ehegatten neben diesem eine gesamtschuldnerische Darlehensverpflichtung ein, so ist bei Bewertung der Verbindlichkeit auch im Anfangsvermögen im Zweifel davon auszugehen, dass diese im Innenverhältnis allein vom Eigentümer des Grundstücks zu tragen ist (Fortführung von BGHZ 87, 265 = FamRZ 1983, 795 und Senatsbeschluss vom 20. Mai 2015 – XII ZB 314/14 – FamRZ 2015, 1272).
  2. Im Anfangs- und Endvermögen des Eigentümers sind in diesem Fall zum jeweiligen Stichtag einheitlich der Grundstückswert als Aktivposten und die volle noch offene Darlehensvaluta als Passivposten einzustellen.
  3. Die familienrechtliche Überlagerung des Innenverhältnisses der Ehegatten betrifft vornehmlich die Zahlung der laufenden Kreditraten und deren – regelmäßig ausgeschlossenen – gesonderten Ausgleich. Dagegen wirkt sie sich auf die Beteiligungsquote an der noch zur Rückzahlung offenen Kreditvaluta grundsätzlich nicht aus.

BGH, Beschluss vom 06.11.2019 – XII ZB 311/18


Verbindlichkeiten eines Erben bei Eintritt in ein Mietverhältnis

BGB §§ 546 Abs. 1, 564, 985, 1922 Abs. 1, 1967

  1. Unterlässt der nach § 564 Satz 1, § 1922 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetretene  Erbe dieses nach § 564 Satz 2 BGB außerordentlich zu kündigen, liegt allein hierin keine Verwaltungsmaßnahme, welche die nach Ablauf dieser Kündigungsfrist fällig werdenden Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis zu Nachlasserbenschulden beziehungsweise Eigenverbindlichkeiten werden lässt, für die der Erbe – auch – persönlich haftet.
  2. Eine persönliche Haftung tritt jedoch etwa dann ein, wenn der Erbe nach wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses seiner (fälligen) Pflicht aus § 546 Abs. 1, § 985 BGB zur Räumung und Herausgabe der Mietsache nicht nachkommt.

BGH, Urteil vom 25.09.2019 – VIII ZR 122/18


Beseitigungsansprüche bei Einhaltung der nachbarrechtlichen Vorschriften

BGB §§ 1004 Abs. 1, 906 Abs. 2 S. 2; NRG BW § 16 Abs. 1

  1. a) Der Eigentümer eines Grundstücks ist hinsichtlich der von einem darauf befindlichen Baum (hier: Birken) ausgehenden natürlichen Immissionen auf benachbarte Grundstücke Störer i. S. d. § 1004 Abs. 1 BGB, wenn er sein Grundstück nicht ordnungsgemäß bewirtschaftet. Hieran fehlt es in aller Regel, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten sind.
    b) Ein Anspruch auf Beseitigung des Baums lässt sich in diesem Fall regelmäßig auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herleiten.
  2. Hält der Grundstückseigentümer die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen ein, hat der Eigentümer des Nachbargrundstücks wegen der Beeinträchtigungen durch die von den Anpflanzungen ausgehenden natürlichen Immissionen weder einen Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in unmittelbarer Anwendung noch einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 analog (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 27. Oktober 2017 – V ZR 8/17, ZfIR 2018, 190).

BGH, Urteil vom 20.09.2019 – V ZR 218/18


Keine Beibehaltung des Geburtsnamens nach Volljährigenadoption

BGB §§ 1757, 1767, 1770, 1776 Abs. 2; FamFG §§ 59, 197 Abs. 3 S. 1

§§ 1767 Abs. 2, 1757 BGB lassen die Fortführung des bisherigen Geburtsnamens als alleinigen Familiennamen nach einer Volljährigenadoption nicht zu.

(nichtamtlicher Leitsatz)

OLG Stuttgart, Beschluss vom 28.08.2019 – 15 UF 184/19


Keine Voreintragung der Erben bei Veräußerung aufgrund transmortaler Vollmacht

BGB §§ 167 Abs. 2, 311b; GBO §§ 39, 40

  1. Beim Verkauf eines Grundstücks mittels einer transmortalen Vollmacht durch die Erben ist beider späteren Bestellung einer Grundschuld aufgrund der im Kaufvertrag vorgesehenen Belastungsvollmacht keine Voreintragung der Erben erforderlich.
  2. Eine widerrufliche General- und Vorsorgevollmacht ist auch dann nicht gem. § 311b Abs. 1 BGB beurkundungsbedürftig, wenn sie auch zur Veräußerung von Grundbesitz ermächtigt.

(nichtamtliche Leitsätze)

OLG Celle, Beschluss vom 16.08.2019 – 18 W 33/19


Mangel neu errichteter Eigentumswohnungen bei Schimmelpilzbefall

BGB §§ 278, 280 Abs. 1, 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, 634 Nr. 2 und 4, 637 Abs. 1 und 3

  1. Eine neu errichtete Eigentumswohnung ist mangelhaft, wenn es dort bis zur Abnahme zum Eintrag von Nässe kommt, die ein über die normale Hintergrundbelastung von 10.000 KBE/g hinausgehendes Schimmelpilzwachstum auslöst.
  2. Schimmelpilzwachstum in Innenräumen ist ein Gesundheitsrisiko, dessen Beseitigung der Erwerber einer neu errichteten Eigentumswohnung vom herstellenden Verkäufer (Unternehmer) verlangen kann, ohne dass dem die Unverhältnismäßigkeit der Kosten oder des Aufwandes entgegenstehen.
  3. Beruft sich der nacherfüllungspflichtige Unternehmer im Prozess auf die Unverhältnismäßigkeit der sachverständig begründeten und ermittelten Mangelbeseitigungskosten, kann dies eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung zum Ausdruck bringen, sodass es einer Fristsetzung nach § 637 Abs. 1 BGB für den Vorschuss zur Selbstvornahme nicht mehr bedarf. Auf eine vorausgegangene vermeintliche Zuvielforderung des Erwerbes beim Umfang der beanspruchten Mangelbeseitigung kommt es dann nicht an.
  4. Der Erwerber hat gegen den Verkäufer neben der Leistung Anspruch auf Ersatz der aufgewandten Sachverständigenkosten. Ob sich dieser Schadensersatzanspruch der Höhe nach auf den Anteil des späteren Prozesserfolges beschränkt, bleibt offen.
  5. Wird die auf Zahlung des Restkaufpreises der Eigentumswohnung gerichtete Widerklage rechtskräftig abgewiesen, weil das Gericht erster Instanz eine Aufrechnung des Käufers mit Teilen der Klageforderung annimmt, steht für die gegen die damit verbundene (teilweise) Klageabweisung gerichtete Berufung des Käufers fest, dass die betroffenen Teile seiner Klageforderung verbraucht sind.

OLG Naumburg, Urteil vom 11.07.2019 – 1 U 116/18


Arglistiges Verschweigen eines Mangels; Haftungsausschluss

BGB § 444

Die Angabe des fachkundigen Verkäufers, das Kaufobjekt fachgerecht bzw. nach den anerkannten Vorschriften errichtet zu haben, erfolgt nicht schon dann ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“, wenn er bei der Bauausführung unbewusst von einschlägigen DIN-Vorschriften abgewichen ist.

BGH, Urteil vom 14.06.2019 – V ZR 73/18


Kein Ersatzanspruch bei eigenmächtiger Instandsetzungsarbeit des Wohnungseigentümers

BGB §§ 687 Abs. 1, 812 Abs. 1 S. 1, 951; WEG § 21 Abs. 4

  1. Dem Wohnungseigentümer, der eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum durchführt, steht kein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht zu. Das gilt auch dann, wenn die von dem Wohnungseigentümer durchgeführte Maßnahme ohnehin hätte vorgenommen werden müssen (insoweit Aufgabe von Senat, Urteil vom 25. September 2015 – V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 Rn. 12 f.).
  2. Auch wenn der Wohnungseigentümer eine Maßnahme zur Instandsetzung oder Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums in der irrigen Annahme durchführt, er habe diese als Sondereigentümer auf eigene Kosten vorzunehmen (hier: Fenstererneuerung), besteht ein solcher Anspruch nicht.

BGH, Urteil vom 14.06.2019 – V ZR 254/17


Tod des zu pflegenden wohnberechtigten Grundstücksübergebers kurze Zeit nach Abschluss des Übergabevertrags

BGB §§ 133, 157, 313

Vereinbaren die Vertragsparteien bei einer Grundstücksübertragung ein Wohnrecht des Veräußerers und eine Pflegepflicht der Erwerberin, gibt der Tod des Veräußerers nur wenige Wochen nach Vertragsschluss für sich genommen weder Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung noch für eine Anpassung des Vertrags nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Sinne eines Zahlungsanspruchs der Erben des Veräußerers als Ausgleich für das infolge des Todes gegenstandslos gewordene Wohnrecht und die Pflegeverpflichtung.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.05.2019 – 8 W 13/19


Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien ist verfassungswidrig

GG Artt. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 u. 2; BGB § 1741 Abs. 2

  1. Der Ausschluss der Stiefkindadoption allein in nichtehelichen Familien verstößt gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot.
  2. Gegen die Stiefkindadoption vorgebrachte allgemeine Bedenken rechtfertigen nicht, sie nur in nichtehelichen Familien auszuschließen.
  3. Es ist ein legitimes gesetzliches Ziel, eine Stiefkindadoption nur dann zuzulassen, wenn die Beziehung zwischen Elternteil und Stiefelternteil Bestand verspricht (vgl. auch Art. 7 Abs. 2 Satz 2 des Europäischen Übereinkommens vom 27. November 2008 über die Adoption von Kindern (revidiert), BGBl II 2015 S. 2 <6>).
  4. Der Gesetzgeber darf im Adoptionsrecht die Ehelichkeit der Elternbeziehung als positiven Stabilitätsindikator verwenden. Der Ausschluss der Adoption von Stiefkindern in allen
    nichtehelichen Familien ist hingegen nicht zu rechtfertigen. Der Schutz des Stiefkindes vor einer nachteiligen Adoption lässt sich auf andere Weise hinreichend wirksam sichern.
  5. Auch jenseits der Regelung von Vorgängen der Massenverwaltung kommen gesetzliche Typisierungen in Betracht, etwa wenn eine Regelung über ungewisse Umstände oder Geschehnisse zu treffen ist, die sich selbst bei detaillierter Einzelfallbetrachtung nicht mit Sicherheit bestimmen lassen. Die damit verbundene Ungleichbehandlung ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.

BVerfG, Beschluss vom 26.03.2019 – 1 BvR 673/17


Bindungsfristen bei Verkauf von verbilligtem Bauland

BauGB § 11 Abs. 2 S. 1; BGB § 307 Abs. 1

  1. Bei einem Verkauf verbilligten Baulandes an einen privaten Käufer im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages ist eine Bindungsfrist von 30 Jahren für die Ausübung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde grundsätzlich nur dann angemessen, wenn dem Erwerber ein besonders hoher Preisnachlass gewährt wurde oder sonst außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine derart lange Bindung des Erwerbers rechtfertigen. Die Gewährung eines Preisnachlasses von 29 % gegenüber dem Verkehrswert genügt hierfür nicht.
  2. Bei einer Kaufpreisverbilligung von 20 % ist eine Bindungsfrist von 20 Jahren grundsätzlich noch angemessen.

BGH, Urteil vom 15.02.2019 – V ZR 77/18


Anfechtung der Erbausschlagung bei bloßem Motivirrtum

BGB §§ 119 Abs. 2, 120, 123, 1944 Abs. 1 u. 2, 1945 Abs. 1

Beruht die Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf bewusst ungesicherter also spekulativer Grundlage (hier: Annahme der Überschuldung des Erblassers aufgrund eines vor Jahren vorhanden gewesenen Guthabens in Verbindung mit der Rentensituation und der äußeren Lebensführung bei vermutet hohen Wohnungsauflösungskosten), so berechtigt eine später sich herausstellende Werthaltigkeit des Erbes mangels eines rechtlich relevanten Irrtums (bloßer Motivirrtum) den Ausschlagenden nicht zur Anfechtung seiner Erklärung.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.12.2018 – 3 Wx 140/18


Konkretisierung der Patientenverfügung

BGB §§ 1901a Abs. 1, 1904 Abs. 2, 3 und 4

  1. Die erforderliche Konkretisierung einer Patientenverfügung kann sich im Einzelfall bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 214, 62 = BGH FamRZ 2017, 748 = NJW 2017, 1737).
  2. Urkunden über formbedürftige Willenserklärungen sind nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen dabei aber nur berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat.
  3. Die vom Beschwerdegericht vorgenommene Auslegung einer Patientenverfügung kann vom Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich nur darauf über-prüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, sonstige Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht.

BGH, Beschluss vom 14.11.2018 – XII ZB 107/18


Kündigungsbeschränkung nach § 577a Abs. 1a Satz 1 BGB

BGB §§ 573 Abs. 2 Nr. 2, 577a Abs. 1a; GG Artt. 3 Abs. 1, 14

  1. Die Kündigungsbeschränkung nach § 577a Abs. 1a Satz 1 BGB erfordert nicht, dass zusätzlich zu den im Tatbestand dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen – hier die nach der Überlassung an den Mieter erfolgte Veräußerung des vermieteten Wohnraums an eine Personengesellschaft (§ 577a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 BGB) – an dem vermieteten Wohnraum Wohnungseigentum begründet worden ist oder der Erwerber zumindest die Absicht hat, eine solche Wohnungsumwandlung vorzunehmen.
  2. Diese Auslegung des § 577a Abs. 1a Satz 1 BGB verstößt weder gegen die verfassungsrechtlich geschützten Rechte des Vermieters gemäß Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 GG noch gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

BGH, Urteil vom 21.03.2018 – VIII ZR 104/17


Haftungsausschluss für Sachmängel bei Grundstückskaufverträgen

BGB § 434 Abs. 1

  1. Die Annahme eines Sachmangels wegen des Fehlens einer Eigenschaft der Kaufsache, die der Käufer nach § 434 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB erwarten kann, setzt nicht voraus, dass diese Eigenschaft in dem notariellen Kaufvertrag Erwähnung findet.
  2. Der Verkäufer einer gebrauchten Immobilie haftet aber für einen solchen Sachmangel – anders als für das Fehlen einer nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbarten Beschaffenheit – in den Grenzen des § 444 BGB regelmäßig nicht, wenn der Kaufvertrag einen allgemeinen Haftungsausschluss enthält (Bestätigung von Senat, Urteil vom 22. April 2016 – V ZR 23/15, NJW 2017, 150).

BGH, Urteil vom 09.02.2018 – V ZR 274/16


Bindungswirkung einer Patientenverfügung und Ermittlung des Patientenwillens

BGB §§ 1901 a, 1904 I 1, IV

  1. Eine Patientenverfügung entfaltet nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn sie neben den Erklärungen zu den ärztlichen Maßnahmen, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt, auch erkennen lässt, dass sie in der konkreten Behandlungssituation Geltung beanspruchen soll.
  2. Die schriftliche Äußerung, dass „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen.
  3. Die erforderliche Konkretisierung kann sich im Einzelfall auch bei nicht hinreichend konkret benannten ärztlichen Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Der Wille des Errichters der Patientenverfügung ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln (im Anschluss an Senat, NJW 2016, 3297 = FamRZ 2016, 1671).

BGH, Beschluss vom 08.02.2017 – XII ZB 604/15


Patientenverfügung mit Entscheidungsbefugnis über lebensverlängernde Maßnahmen

BGB §§ 1901 a, 1901 b, 1904

  1. Der Bevollmächtigte kann in eine der in § 1904 I 1, II BGB genannten Maßnahmen nur einwilligen, nicht einwilligen oder die Einwilligung widerrufen, wenn der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, sie zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen. Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann.
  2. Einem für einen Betroffenen bestehenden Betreuungsbedarf wird im Zusammenhang mit der Entscheidung zur Durchführung von lebensverlängernden Maßnahmen im Sinne des § 1904 I 1, II BGB durch eine Bevollmächtigung erst dann nicht ausreichend Genüge getan, wenn offenkundig ist, dass der Bevollmächtigte sich mit seiner Entscheidung über den Willen des Betroffenen hinwegsetzen würde.
  3. Die schriftliche Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen. Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.

BGH, Beschluss vom 06.07.2016 – XII ZB 61/16





WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner